Stiller Tanz der Masken in Venedig

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Zur Karnevalszeit ist die italienische Lagunenstadt so bunt wie nie: Venezianer holen kunstvolle Kostüme und traditionelle Masken hervor, huschen durch die engen Gassen, schweben am Wasser entlang und posieren elegant vor fotografierenden Touristen.

 

Die kalte Luft sticht in der Nase und vom Markusplatz ist noch das aufgeregte Gemurmel der Touristenhorden zu hören. Doch mit jedem Schritt wird es vom sanften Plätschern des Wassers abgelöst. Scheinbar lautlos gleiten die Gondeln durch die Dunkelheit und immer wieder entsteigen ihnen geheimnisvolle Gestalten. So wie er. Völlig überraschend steht er da und lehnt sich keck gegen das hölzerne Geländer. Das sanfte Licht der Laterne bringt seine goldene Maske zum Strahlen, unter seinem schwarzen Umhang blitzen die weiße Rüschenbluse und die rote Samtuniform hervor. Wer er wohl ist? Nichts verrät es. Sein Blick durchdringt für einen kurzen Augenblick jede Faser des Körpers, dann dreht er sich weg und verschwindet in der Masse. Zurück bleibt eine geheimnisvolle Erinnerung. Und das ist ganz im Sinne von Giacomo Casanova. Der italienische Abenteurer und Schriftsteller liebte den „Carnevale di Venezia“. Im Schutz der Maske konnte Casanova ganz ungeniert das ausschweifende Leben genießen und in besten Kreisen verkehren. Selbst Spielhallen oder Freudenhäuser verschmähte der Genussmensch aus dem 18. Jahrhundert nicht. Zu seiner Zeit erlebte der Karneval mit rauschenden Maskenbällen und prunkvollen Festen seine Hochblüte. Wer ein paar Stunden in diese Welt eintauchen möchte, sollte im Jänner und Februar nach Venedig fahren, wenn die historischen Figuren zum Leben erweckt werden.

 

Bettler und Adelige

Raketen bringen den Himmel zum Leuchten, am Boden eine Feuerfontäne von links und ein Puppenspieler rechts. Oben drüber versucht ein Seiltänzer die Balance zu halten – während des Karnevals im 18. Jahrhundert herrschte in Venedig ein wildes Treiben. Alles war erlaubt auf den kleinen und großen Plätzen. Das Volk durfte aus dem strengen Reglement ausbrechen und sich ganz dem Luxus und Laser hingeben – jedoch nur während dem Übergang von Winter in den Frühling. Dann wurde den Verkleidungen und Rollenspielen gefrönt. Die Masken übernahmen dabei eine Schutzfunktion. Sie gewährten Anonymität und hoben Standesunterschiede auf: Bettler wurden zu Königen, Marktfrauen zu edlen Fräuleins, die sich neben den öffentlichen Festen bei privaten Feiern in den Palästen trafen. Und weil das närrische Treiben so beliebt war, begann es bereits am 26. Dezember und endete erst am Aschermittwoch. Je nach Lust und Laune wurde die Karnevalszeit einfach um ein paar Wochen oder Monate verlängert. Deshalb bekam Venedig bald den Ruf, eine Stadt des Vergnügens zu sein. Das gefiel weder Napoleon noch der Kirche und sie schufen den Karneval einfach ab. Erst 1979 kehrte der Karneval zurück nach Venedig und begeistert seit dem mit einer Mischung aus Kunst, Geschichte und Kultur sogar Faschingsmuffel. Jedes Jahr steht der Karneval unter einem Motto: Heuer ist das Leitmotiv für zahlreiche Veranstaltungen und Kostüme „Vivi i colori – Live in colours“. Maskierte Touristen sind willkommen – solange sie keine peinlichen Faschingskostüme anhaben. Wer im Cowboy- oder Hexenkostüm Karnevalsgrüße in die Menge brüllt, ist in Venedig fehl am Platz. Hier ist der Karneval still und elegant. Ausgelassene Partystimmung gibt es nur Abend bei den Bällen und Festen. Übertrags herrscht Ordnung – muss es auch bei den Menschansammlungen. Am Markusplatz, dem Epizentrum des Karnevals, geht es nur schrittweise voran und wer gut auf die Bühne sehen möchte, muss früh vor Ort sein. Wesentlich angenehmer ist es, die Uferpromenade Richtung Castello entlang zu spazieren, im Freien gemütlich einen Kaffee zu trinken und die Parade ohne großes Gedränge zu beobachten.

 

Jungfrauen und fliegende Engel

Die kraftvollen Schläge auf die Trommeln werden immer lauter; Fahnenträger und Harlekine auf Stelzen machen den Weg frei und dann kommen sie – die Jungfrauen von Venedig. Getragen werden die hübschen Grazien von stattlichen jungen Burschen. Der Legende nach wurden Jungfrauen einst von Piraten geraubt und erfolgreich wieder befreit. Jedes Jahr ziehen sie mit der Eröffnungszeremonie ein. Begleitet von zahlreichen Venezianern in ihren traditionellen Kostümen ziehen sie über die Seufzerbrücke vorbei am Dogenpalast auf den Markusplatz. Die Menge staunt über die opulente Pracht. Das süßliche Parfüm der Damen übertunkt den leichten Modergeruch, das Rauschen der Seide wechselt sich ab mit dem Klicken der Kameras. Und so manch einer will auf der Stelle selbst sein Antlitz hinter einer venezianischen Maske verstecken, um selbst Teil des Zaubers zu werden. Doch der Spaß ist nicht billig. Die echten venezianischen Masken sind handgefertigt aus Pappmaschee und kosten ab 80 Euro aufwärts. Hergestellt werden sie von den angesehenen Maskenmachern, die abseits des Karnevals gerne einen Einblick in ihr Können geben und sogar Kurse abhalten. Die klassische Verkleidung ist die „Bauta“ – ein schwarzer Umhang, ein Dreispitz-Hut und eine weiße Maske. Sie wird sowohl von Männern als auch Frauen getragen. Ebenfalls beliebt sind die Figuren aus der italienischen Volkskomödie „Commedia dell’arte“: Pantalone, ein alter reicher Kaufmann, der Dieb Brighella, der lustige Arlecchino, die Dienstmagd Colombia oder der Pestarzt Il Dottore. Sie alle sind eng mit dem venezianischen Karneval verbunden und begegnen einem immer wieder auf den Plätzen. Eröffnet wird der Karneval offiziell Ende Jänner/Anfang Feber mit dem „Flug des Engels“. Jedes Jahr schwebt ein anderer prominenter Gast an einem Seil vom Campanile hinunter zum Markusplatz, wo er vom tosenden Applaus und jeder Menge Konfetti erwartet wird. Obwohl der Karneval mit mehreren Tausend Besuchern zu den größten Veranstaltungen in der Region gehört, gleicht ein Besuch nach wie vor einem Ausflug in eine andere Zeit und was dabei passiert ist Zufall. Aber wie schon Casanova sagte: „Die besten Dinge verdanken wir dem Zufall.“ Und so geht es mit schmerzenden Füßen und vielen zufällig entstandenen Begegnungen, schaukelnd im Vaporetto, dem venezianischen Linienschiff, zurück zum Bahnhof, zurück in die Gegenwart.

 

Tipps für einen entspannten Karnevalsbesuch:

 

Anreise/Deutschland: Venedig ist von Köln 730 Kilometer und von Berlin 790 Kilometer entfernt. Die Anreise ist per Auto, Bus, Zug oder Flugzeug möglich. Ins Stadtzentrum, also in die Hochburg des Karnevals, reist man am besten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Von den Bahnhöfen fahren regelmäßig die Vaporetti, die venezianischen Linienschiffe, zum Markusplatz. Wer individuell unterwegs sein will, nimmt sich ein Wassertaxi. Parkplätze und Gondeln sind während der Karnevalszeit Mangelware und dementsprechend teuer. Da in Venedig das meiste zu Fuß erkundet wird, sind gute Schuhe und warme Kleidung empfehlenswert. Es gibt 150 Kanäle, 3000 Gassen, 127 Plätze und 411 Brücken, Straßennamen werden mehrfach verwendet – sich zurecht zu finden ist nicht einfach. Daher einen guten Stadtplan einpacken!

 

Kulinarik-Tipp: In den traditionellen Cafés und Konditoreien gibt es noch die Fritelle und Galani. Fritelle sind kleine Hefeteig-Krapfen mit Rosinen. Galani sind dünn ausgerollte in Öl herausgebackene Waffeln, bestreut mit ordentlich viel Zucker. Beide Süßspeisen sind während der Karnevalszeit sehr beliebt und eine gute Stärkung, wenn man den ganzen Tag zu Fuß unterwegs ist. Achtung: Essen und Getränke rund um den Markusplatz sind am teuersten! Lieber ein paar Schritte weitergehen und günstiger speisen.

 

Hotel Tipp: Ca Pisani – Venedigs erstes Design Hotel ist immer einen Besuch wert!

 

Venezianische Kostüme und Masken anschauen und kaufen:

Aufwendige Kostüme gibt es im Atelier Flavia: www.veniceatelier.com

Masken aus Pappmaschee werden bei Tragi Comica hergestellt: www.tragicomica.it

Traditioneller Maskenmacher Ca’del Sole: www.cadelsolmascherevenezia.com

 

Tickets und Veranstaltungskalender: www.carnevale.venezia.it

 

Weitere Infos: Italienische Zentrale für Tourismus in Deutschland: www.enit-italia.de

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